Der Hof Nr. 65 (heute Am Kummerberg 1) hat eine wechselvolle Geschichte. Vermutlich 1624 wurde dort ein Gebäude von Otto Rahlfs bei seiner Einheirat in diesen Hof gebaut. Er betrieb außerdem die zweite Schmiede im Ort, so dass diese Hofstelle den Namen Meester-Ottens-Hof erhielt. Im September 1848 brannte das Haus mit Nebengebäuden ab. Das Hauptgebäude wurde 1849 wieder aufgebaut und erfuhr noch viele Besitzwechsel bis der Hof 1922 ohne Ländereien an Dr. med. Hellmuth Hahn sen. (1893 – 1964) veräußert wurde. Er baute den ehemaligen Wirtschaftsteil des Hauses zur Praxis um. Gleichzeitig richtete er einige Krankenzimmer ein, in denen zunächst nur Geburten unter hygienischen Bedingungen stattfinden sollten, um das damals häufige tödlich endende Kindbettfieber zu vermeiden. Kurze Zeit später wurden auch andere Kranke aufgenommen und behandelt, so dass 1927 eine Konzession für eine Klinik mit 20 Betten beantragt und genehmigt wurde. Die Klinik hieß nun „Krankenanstalt für das alte Amt Bissendorf e.V.“
Trotz der wirtschaftlich schweren Zeit entwickelte sich der Klinikbetrieb zufriedenstellend, bis im Juli 1933 Dr. H. Hahn sen. wegen staatfeindlicher Umtriebe in Untersuchungshaft ins Zuchthaus nach Celle gebracht wurde. Dr. Hahn sen. hatte öffentlich und schriftlich kritisiert, dass der damalige in Bissendorf wohnende NSDAP-Kreisrat Dr. Cell Nahrungsmittel aus der Winterhilfe teilweise für sich selbst verbrauchte. Da während der Untersuchungshaft keine gerichtliche Untersuchung oder Anklage stattfand, wurde Dr. Hahn sen. nach 100 Tagen mit restriktiven Maßnahmen entlassen, die im Januar 1934 dann ohne Angabe von Gründen aufgehoben wurden. Die Klinik war während der Zeit geschlossen und wurde 1934 wieder geöffnet. Der Praxisbetrieb konnte bis 1943 hilfsweise aufrechterhalten werden. Mit zunehmenden Kriegsbedrohungen wurde das Haus jedoch wieder geschlossen. Dr. H. Hahn sen. war bereits 1939 als Stabsarzt zur Wehrmacht eingezogen worden.
Die Klinik wurde später zum Hilfslazarett umgestaltet. Englische Truppen besetzten 1945 das Gebäude, beschlagnahmten die gesamten medizinischen Geräte entschädigungslos und transportierten sie ab. Die Räume wurden 1946 von der Besatzungsmacht wieder freigegeben. Das Gebäude wurde daraufhin von der Gemeinde zur Unterbringung der vielen Flüchtlinge aus den Ostgebieten beschlagnahmt. In der Praxis arbeitete derweil ein Arzt aus Hannover, bis Dr. Hahn sen. 1947 aus der Gefangenschaft zurück kam.
1949 wurde die Klinik wieder eingerichtet und bis 1969 betrieben. Bis 1963 wurden in der Krankenanstalt 13.000 Patienten versorgt, 7.900 Operationen durchgeführt und 1.100 Frauen entbunden. Die zunehmende medzinisch-technische Entwicklung und damit verbundene moderne Medizin ließ sich in dem kleinen Haus nicht mehr unterbringen, so dass der Klinikbetrieb eingestellt wurde. Das Gebäude wurde weiter ärztlich genutzt, denn von 1964 bis 1997 war Dr. med. Hellmuth Hahn jun. (1927 – 2015) dort als Internist niedergelassen. Er baute 1969 die früheren Klinikräume zu einer modernen Facharztpraxis aus, die 1989 nochmals umgebaut und erweitert wurde. Bis heute wird in dem Gebäude eine Gemeinschaftspraxis betrieben.
Das Richard-Brandt-Heimatmuseum zeigt ein Modell der Krankenanstalt, das ebenso wie das Modell der Bissendorfer Kirche, von Tischlermeister Friedrich Scheibel aus Bissendorf (Nr. 19, zwischen dem ehemaligen Gasthaus zur Eiche und der Tischlerei Knoke) angefertigt wurde. Für diese Intarsienarbeit hat er ca. 100 Hölzchen auf 1,5 cm² verarbeitet. Das Schwarz-Weiß-Foto zeigt als Vergleich das Gebäude um 1937. Die Abbildung ganz rechts entstand nach einer Originalzeichnung des Grafikers Alfred Brecht, der u.a. auch das Bissendorfer Wappen entworfen hat. Beide Postkarten stammen aus der Sammlung von Peter Schulze, Bissendorf.
Übrigens: Im Museum gibt auch eine Klappkarte mit dem Modell der Krankenanstalt, die Sie gegen eine kleine Spende mit nach Hause nehmen können. Sie unterstützen damit die Arbeit des Fördervereins.
Bildquellen:
Modell der Krankenanstalt: Richard-Brandt-Heimatmusem
Postkarten: Sammlung Peter Schulze, Bissendorf
Textquelle:
Bildchronik Bissendorf, Hellmuth Hahn, Friedrich Lüddecke, Band 2