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Die wechselvolle Geschichte des Hofes Nr. 44

Seit 1982 beherbergt das Gebäude mit der Adresse Gottfried-August-Bürger-Straße 3 die Gemeindebibliothek, seit 1999 auch einen Teil der Sammlung des Richard-Brandt-Heimatmuseums. Doch die Geschichte dieses ehemaligen Pfarrköthnerhofes reicht mindestens 500 Jahre zurück. Wer bewirtschaftete diesen Hof und welche Schicksale sind damit verbunden?

 

Hinrich Evers, genannt Sundergeld, ist 1568 der erste nachgewiesene Hauswirt auf dem Hof mit der Brandkassennummer 44 (heute Gottfried-August-Bürger-Straße 3). Zu dieser Zeit gab es in Bissendorf bereits drei Höfe mit dem Namen Evers, so dass Hinrich diesen Beinamen erhielt. Die Bedeutung ist jedoch leider nicht bekannt.

 

 Der Hof hatte bereits 1589 einen für eine Köthnerstelle großen Viehbestand von 2 Pferden, 11 Kühen, 4 Hausschweinen und 5 Schafen; seit 1572 gehörten 4 Morgen Ackerland zum Hof. Außerdem verfügte die Stelle schon damals über eine Kruggerechtigkeit, also der Berechtigung zum Betrieb einer Schankwirtschaft.

 

Im 17. Jahrhundert änderte sich der Name des Hofes in “Duschen-Hof”, da Hans Dusche (aus Burgwedel) um 1635 Eigentümer wurde. Mitten im Dreißigjährigen Krieg erwarb dieser Ackerland und Wiesen von durch den Krieg in wirtschaftliche Schwierigkeit geratenen Bauern. So kamen 1639 die Arneckesche“ Windmühle (ca. 100m östlich der heutigen VHS-Geschäftsstelle in Bissendorf) und 1651 der Hofplatz des aufgeteilten Laes-Hofes Nr. 41 (heute Gottfried-August-Bürger-Str. 8) hinzu. Bereits 1647 baute Hans Dusche auf der Nr. 44 ein neues Wohn- und Wirtschaftshaus, im Garten entstand ein Backhaus. Außerdem betrieb er die zum Hof gehörende Gastwirtschaft weiter.

 

Die Dusches und ihre Schicksale sind in den Folgejahren mit mehreren Generationen für diesen Hof überliefert. 1665 starb bspw. Christoph Dusches Tochter Margarethe mit nur 1 ½ Jahren. Ihr Grabstein befindet sich noch an der Nordseite des Bissendorfer Kirchenschiffes. 1689 schlug das Schicksal in Form einer Viehseuche zu.

 

Der letzte männliche Hoferbe Hinrich Rudolph Albrecht Dusche, geb. 1748, konnte den Hof aus gesundheitlichen Gründen nicht übernehmen. Er lebte daher als lediger Pferdeknecht auf dem elterlichen Hof und starb 1802. Die ältere Schwester Dorothea Hedwig Dusche, geb. 1740, heiratete den ehemaligen Quartiermeister Christoph Hermann Ahrbeck, geb. 1737, der somit der neue Hauswirt wurde. Dieser starb jedoch schon 1773 mit 36 Jahren. Daraufhin heiratete 1775 der Interimswirt Cord Heinrich Detmering aus Hannover die Witwe Ahrbeck. Der Sohn Christoph Heinrich Ahrbeck, geb. 1769, war Amtsgeschworener sowie Bürgermeister von Bissendorf und erwarb um 1820 das sogenannte Kavalierhaus des Amtshofes. Dieses Gebäude wurde vom Amtshof nicht mehr als „Schreiberei“ gebraucht, denn 1819 war ein größeres Dienstgebäude errichtet worden - das heutige Bürgerhaus, ehemals Kaufhaus Busse.

 

Der nächste Ahrbeck, Georg Heinrich, geb. 1799, war auch schon der letzte in dieser Inhaber-Reihe, obwohl er drei Söhne hatte. Ein Sohn fiel 1866, ein weiterer Sohn wanderte 1869 nach Amerika aus und der dritte ließ sich als Kaufmann in Bremen nieder. Bereits 1867 verpachtete Ahrbeck daher die Gastwirtschaft an Georg Niemeyer, den Hofwirt von Nr. 22 (heute Burgwedeler Str. 10). Den Nachbarhof Nr. 20 (heute Burgwedeler Str. 8) kaufte Ahrbeck 1845 noch zu, doch sieben Jahre später musste er die Stelle an den Tischler Busse aus Heitlingen wieder veräußern. 1877 verstarb Georg Heinrich Ahrbeck und der Hof wechselte über Georg Heinrich Schneermann 1895 zu Friedrich Rehbein. Letzterer stammte Westpreußen und erwarb Hof und Gastwirtschaft genau zum richtigen Zeitpunkt: Die Eisenbahn von Hannover nach Visselhövede wurde in der Zeit gebaut, so dass viele Gastarbeiter bei Rehbein logierten und er so recht schnell zu Wohlstand kam. Im Volksmund wurde Rehbeins Gastwirtschaft aufgrund der Nachbarschaft zum ehemaligen Amt auch oft Amtskrug genannt.

Albin Rehbein, geb. 1894, kaufte 1928 den „Evers-Voigtschen“ Hof Nr. 37 (heute Tattenhagen 18) in Bissendorf als Alterssitz und übergab 1957 Haus, Hof und Gastwirtschaft an seinen Schwiegersohn, den Koch Erich Schröder. Dieser verließ Bissendorf jedoch 1970 und verkaufte das Anwesen an die Gemeinde.

Bis ca. 1960 wurde in Rehbeins Gastwirtschaft ein Kino betrieben, in den 1970er Jahren dann die Diskothek Pepp (späterer Name: Blow up). Als einer der ersten Pächter ist der Schotte Alan Lloyd überliefert, später betrieb Depping die Disco im alten Wirtschaftsteil des Hauses. Die Gemeinde Wedemark hat 1982 das ganze Gebäude zur Gemeindebibliothek umgebaut. Im Obergeschoss des Nordflügels entstand eine Einliegerwohnung und seit 1999 beherbergt das Gebäude im Obergeschoss des Wirtschaftsflügels einen Teil des Richard-Brandt-Heimatmuseums.

 

Ausführlich können Sie sich über das Gebäude und seine Bewohner übrigens in der Bissendorfer Bildchronik von Hellmuth Hahn und Friedrich Lüddecke, Band 2, Seite 238 ff. informieren. Der in diesem Blog-Beitrag eingestellte Text basiert in großen Teilen auf den in der Bildchronik niedergeschriebenen Überlieferungen. Diese Chronik befindet sich in der Bibliothek im Erdgeschoss aber auch in der Leseecke des Heimatmuseums im Obergeschoss. Schmökern Sie also bei Ihrem nächsten Besuch gerne mal in der Geschichte dieses Gebäudes. Im Museum gibt es auch ein paar Motive des Hofes als Klapp- oder Postkarte, gemalt von der Künstlerin Ursula Greve. Nehmen Sie sich also gerne ein Stück Amtskrug mit nach Hause - Sie unterstützen damit die Arbeit des Fördervereins.


Bildquellen:

Heutige Ansicht: Wikipedia, Von Senior36 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=63711065

Erste Postkarte Gasthaus: Bissendorfer Bildchronik Band 2

Zweite Postkarte Gasthaus zum Alten Amtskrug: Sammlung Peter Schulze, Bissendorf

Malerei: Richard-Brandt-Heimatmuseum Wedemark

Textquelle: Bissendorfer Bildchronik Band 2